Stellungnahme Kleine Anfrage FDP-Fraktion zu OER

Guter Unterricht braucht gute Materialien, und Lehrerinnen und Lehrer müssen wissen, wo sie sie schnell finden können und wie sie diese Materialien dann auch einsetzen dürfen. Dafür gibt es Open Educational Resources oder zu deutsch: Freie Bildungsmaterialien.

Lehrkräfte tauschen schon immer Material untereinander aus – oftmals allerdings auf zweifelhafter rechtlicher Grundlage. Dennoch, was für meine Schülerinnen und Schüler gut ist, kann sicher auch in anderen Klassenräumen funktionieren, dort aktualisiert und verbessert werden – sogar von den Lernenden selbst. Materialien können auf immer neue Technologien und Problemlagen hin neu ausgerichtet werden und mit den Mediennutzungsgewohnheiten gerade jüngerer Generationen Schritt halten. Der urheberrechtliche Normalfall “Alle Rechte vorbehalten” steht dem insoweit entgegen, als für jede Bearbeitung und Verbreitung normalerweise Erlaubnisse einzuholen sind. Genau deshalb gibt es die OER-Freigabe, die letztlich nichts anderes ist als eine vorab erteilte urheberrechtliche Erlaubnis und zu einem “Manche Rechte vorbehalten” führt.

OER – in Deutschland kaum mehr gefördert

Ben Bernhard, cut by Cornelius Kibelka, Mapping OER Documentation, CC BY 4.0

Politisch ist das auch gewollt, aber die Umsetzung und Finanzierung, egal ob auf Bundes- oder Länderebene, lässt noch immer deutlich zu wünschen übrig. Aber gerade die immer lauter werdende, ja fast hysterische Debatte um Bildung in einer digitalisierten Welt ist eigentlich die Chance, OER stärker ins Bewusstsein zu bringen. Und: OER bergen die Möglichkeit den geforderten Kompetenzerwerb zu unterstützen, um Lernende für die aktive Teilhabe im Web und mit digitalen Medien zu befähigen.

Die gemeinsame Bund-Länder Arbeitsgruppe zum Thema OER hat in ihrem Ergebnisbericht 2015 festgestellt, dass einige grundlegende Fragen zum Thema nach wie vor offen sind. Der Bericht der Arbeitsgruppe beleuchtet die positiven Wirkungsmöglichkeiten von OER, wie zum Beispiel individuelle Lernsettings oder eine aktivere Gestaltung des Unterrichts hinsichtlich der gemeinsamen Erstellung von Materialien.

2015 hatte die Fraktion der Grünen im Bundestag eine Kleine Anfrage zu diesem Thema gestellt (Zusammenfassung hier), in deren Beantwortung guter Wille, aber noch offene Fragen in der Umsetzung deutlich wurden.

2015: Ein Anfang wird gemacht

Ben Bernhard, cut by Cornelius Kibelka, Mapping OER Motivation, CC BY 4.0

Ab 2015 förderte die Bundesregierung dann durch das BMBF OER-Projekte – den Auftakt machte das Projekt Mapping-OER: Bildungsmaterialien gemeinsam gestalten, an dessen Ende der Praxisrahmen mit Empfehlungen für die Weiterverbreitung für OER in Deutschland stand. Parallel wurde vom BMBF eine Machbarkeitsstudie zur technischen Infrastruktur von OER in Auftrag gegeben. Im Anschluss wurden die OER-Infostelle und weitere Projekte zu OER sowie bundesweite OER-Camps gefördert.

Im September 2018 hakte nun die FDP-Fraktion konkreter in einer weiteren Kleinen Anfrage nach: Würde im “Digitalpakt Schule”, der eine Förderung von 3,5 Milliarden Euro für digitale Bildungsinfrastruktur vorsieht, auch die Nutzung, die Erstellung und Weiterverbreitung von OER gefördert werden?

Schließlich hatte die Große Koalition im Bund im Koalitionsvertrag „eine umfassende Open-Educational-Resources-Strategievereinbart, die „die Entstehung und Verfügbarkeit, die Weiterverbreitung und den didaktisch fundierten Einsatz offen lizenzierter, frei zugänglicher Lehr- und Lernmaterialien“ fördert und „geeignete Qualitätssicherung“ etabliert.

Die 2016 initiierten Projekte laufen demnächst aus. Bisher ist nur bekannt, dass die OER-Infostelle bis 2020 verlängert und es Transferkonferenzen von 2019 bis 2020 geben soll.

2018: Information ja, Förderung nein

Die Bundesregierung antwortete sehr zeitnah auf die Kleine Anfrage der FDP-Fraktion. Leider mit dem Fazit, dass innerhalb des DigitalPakts Schule, der ein Volumen von 3,5 Milliarden Euro haben soll, OER nicht gefördert werden können. Das BMBF verweist auf die Fortführung der OER-Infostelle und die Transferkonferenzen – letztere beziehen sich aber immer nur auf bekanntes Wissen bzw. vorgefundene Materialien – neue Erkenntnisse fließen nur sehr bedingt ein. Für Projekte also, die die konkrete Erstellung, Verbreitung und Weiterbildung zu OER fördern, ist kein Geld da und für die nachhaltige Qualifizierung und Professionalisierung von Lehrenden und Lernenden zur Nutzung von OER ebenfalls nicht. Damit werden nicht nur die zum Teil guten Ergebnisse der OER-Projekte der letzten Jahre im Sande verlaufen und das Know-how versickern, sondern auch die Potentiale des digitalen Kompetenzerwerbs mit OER nicht genutzt. Der Förderansatz des Digitalpakts ist allein technikzentriert, Lehrerinnen und Lehrer, an die Digitalisierung angepasste Bildungsmethoden und -inhalte werden völlig ignoriert.

Ben Bernhard, cut by Cornelius Kibelka, Mapping OER Conclusion, CC BY 4.0

Ein Argument hierfür ist laut Antwort der Bundesregierung, dass eine Förderung von OER zu den “nicht-investiven Ausgaben” zählen würde, wie es im Verwaltungsdeutsch heißt. Gemeint sind damit üblicherweise Ausgaben, die zu Anschaffungen und bleibenden Werten führen. Die Bundesregierung meint offenbar, dass Inhalte-Erstellung bzw. ihre Förderung grundsätzlich nicht zu bleibenden Werten führt. Doch gerade bei OER ist das anders. Denn wegen der OER-Freigabe bleiben einmal so erstellte und freigegebene Bildungsmaterialien dauerhaft nutz- und veränderbar.

Geld für Freie Bildungsmaterialien ist daher eine echte Investition, die keine Lizenz-Folgekosten nach sich zieht und genau den Zielen des Koalitionsvertrages und den Empfehlungen von Expertinnen und Experten folgt. Wenn die Bundesregierung dies nicht berücksichtigt, liegt es zukünftig erneut nur an den Ländern, bereitgestellte Mittel entsprechend zu nutzen und auch OER zu fördern.

“Digital” heißt nicht “offen”

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung kommt in seiner Antwort zu dem Schluss:

Infolge der Etablierung digitaler Infrastrukturen erwartet die Bundesregierung, dass die Nachfrage für die Nutzung von OER und die Bereitschaft zur Erstellung und Weiterverbreitung von OER ansteigen.

Es ist aber zu kurz gedacht, dass mit einer digitalen Infrastruktur auch automatisch die Motivation zur Erstellung und Verwendung von OER steigt. Dazu sind neben spezifischen Anreizkonzepten auch neue didaktische Konzepte und gesonderte Maßnahmen bei der Ausgestaltung der Infrastruktur nötig (z. B. offene Standards verwenden). OER benötigen eine entsprechende, förderliche IT-Infrastruktur und den Kulturwandel hin zu einer pädagogischen Berufspraxis des Teilens und der Teilhabe.

Wir fordern, dass die Bundesregierung und die Länder den Wissensschatz heben, den Lehrerinnen und Lehrer selbst zur Verfügung stellen wollen, Best Practices fördern und Material zentral verfügbar und sichtbar machen! Die richtigen digitalen Infrastrukturen sind dafür entscheidend. Nun sollte gehandelt werden und nicht nur gehofft.

Lizenzhinweis
„Stellungnahme Kleine Anfrage FDP-Fraktion zu OER“ vom Bündnis Freie Bildung steht unter der CC-BY-4.0-Lizenz. Für die Nachnutzung reicht als Namensnennung „Bündnis Freie Bildung“. Sofern die Nutzung offline erfolgt, ist an den Hinweis die URL der Lizenz anzufügen: https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.

Beitragsbild
Heike Kranacher, Reichstagsgebaeude (182745537), CC BY 3.0

 

2 Gedanken zu „Stellungnahme Kleine Anfrage FDP-Fraktion zu OER

  1. Pingback: Cooperation Changes Everything – Kurzbericht zum Open Education Policy Forum – Bündnis Freie Bildung

  2. Pingback: Digitalpakt Schule: zu kurz gedacht! – Bündnis Freie Bildung

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert