Stellungnahme zum Koalitionsvertrag 2025

Am 5. Mai 2025 wurde der Koalitionsvertrag der Regierungsparteien offiziell unterzeichnet. Mit diesem politischen Neustart sind große Erwartungen an eine zukunftsfähige Digital- und Bildungspolitik verbunden. Doch gerade in diedem Bereich bleiben zentrale Aspekte aus. Das Bündnis Freie Bildung nimmt die heutige Kanzlerwahl zum Anlass, um kritisch auf die Versäumnisse im Koalitionsvertrag 2025 hinzuweisen und deutlich zu machen, welche politischen Entscheidungen jetzt nötig wären, um offene, souveräne und gerechte Bildung in der digitalen Gesellschaft zu ermöglichen.

Offenheit und Bildungsdigitalisierung braucht Freiheit statt Abhängigkeit

Mit dem Koalitionsvertrag 2025 hat die neue Bundesregierung zentrale Weichen für die Digitalisierung Deutschlands gestellt. Doch aus Sicht des Bündnis Freie Bildung (BFB) bleibt der Koalitionsvertrag inhaltlich vage und markiert einen Wendepunkt, an dem zehn Jahre Aufbauarbeit verloren gehen. Statt einen zukunftsgerichteten, offenen und souveränen Bildungsraum zu gestalten, setzt der Vertrag auf vage Digitalisierungsversprechen und verpasst die Chance, bewährte offene Strategien fortzusetzen.

Rückschritt dort, wo längst der Sprung nach vorn möglich wäre

Im Koalitionsvertrag steht kein Wort über Open Educational Resources (OER) und Open Educational Practices (OEP), obwohl seit Jahren in zahlreichen Bundesprojekten ihre Wirkung, Effizienz und Skalierbarkeit belegt wurde. Durch den Koalitionsvertrag von 2013 und den Koalitionsvertrag von 2018 konnten solide Förderstrukturen wie die OER-Strategie des Bundes aufgebaut werden. Zahlreiche Modellprojekte und Länderkonzepte haben rechtliche Standards, technische Plattformen und didaktische Kompetenzen über die letzten 12 Jahre vorangebracht. Dass der neue Koalitionsvertrag dies ignoriert, bedeutet nicht nur Stillstand, sondern den unausweichlichen Verlust von Strukturen. Digitale und offene Bildung braucht in einem wenig agilen Bildungssystem Kontinuität, Expertise und politische Rückendeckung. Wenn diese Grundlagen ausbleiben, muss wieder bei null begonnen werden. Und das in einem internationalen Umfeld, das in den Bereichen Bildung, Innovation und Digitalisierung längst weiter ist.

Digitalisierung ohne Richtung ist ein Risiko

Die allgemeine Nennung von “digitaler Infrastruktur” beim DigitalPakt 2.0 (Z. 2332) oder “offenen Schnittstellen” (Z. 2172) ist zu wenig. Digitalisierung bedeutet mehr als Technik. Ein Vorantreiben reicht nicht aus; ohne klare Verpflichtung zu Offenheit, Souveränität und Nachhaltigkeit besteht vor allem im Bildungsbereich die Gefahr, in alten Abhängigkeiten stecken zu bleiben oder in neue zu geraten – von proprietären Plattformen, geschlossenen Ökosystemen und kommerziellen Interessen. Zwischen den Zeilen steht, was im Koalitionsvertrag fehlt: Ein klares politisches Commitment zu offener Bildung. Zentrale Forderungen der Bildungscommunity bleiben ungehört: Freie Lizenzen, offene Bildungsressourcen, Verankerung offener Bildungspraktiken in der Lehrkäfteausbildung, Sichtbarkeit und Anerkennung für OER-Akteur*innen. Damit bricht die Koalition mit den positiven Ansätzen früherer Regierungen und verpasst die Chance, die digitalen Bildungsstrukturen in Deutschland nachhaltig, souverän und gerecht weiterzuentwickeln.

Ministerium neu, Verantwortung unklar

Neu ist in der Regierungsstruktur ein eigenes Bundesministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung. Doch mit der Aufwertung der Digitalpolitik geht eine dramatische Degradierung der Bildungspolitik einher: Die Auflösung des Bildungsministeriums und die Eingliederung der Bildung ins Familienressort schwächen die Sichtbarkeit und strategische Kohärenz der Bildungsfragen erheblich. Bildung und Digitalisierung gehören zusammen gedacht. Wer die strukturelle Verbindung kappt, zementiert genau die Fragmentierung, unter der Bildungsdigitalisierung in Deutschland schon heute leidet.

Appell an die neue Bundesregierung

Die geplante Schaffung neuer Zuständigkeiten für Digitalisierung (vgl. Koalitionsvertrag, Abschnitt „Digitales“) bietet Chancen, erfordert aber auch Verantwortung. Wir rufen das künftige Digitalministerium sowie das Bildungsressort auf, jetzt nachzusteuern: Wer über digitale Bildung spricht, darf über offene Software und offene Inhalte nicht schweigen. Das Bündnis Freie Bildung fordert eine verpflichtende Berücksichtigung von Open Source Software bei der Beschaffung digitaler Bildungsinfrastruktur sowie die gesetzliche Verankerung, dass öffentlich finanzierte Bildungsinhalte standardmäßig als OER veröffentlicht werden. Ebenso sollte die Befähigung von Lehrenden und Lernenden hin zu einer kritisch reflektierten Mediennutzung stärkere Beachtung finden, indem gezielt Schulungen und Weiterbildungen ermöglicht werden, die Offenheitskompetenzen vermitteln und eine Kultur des Teilens unterstützen. Denn technische Mittel müssen in einen pädagogischen Rahmen gebettet sein, um zielgerichtet zu wirken. Die OEP stellen dafür eine bewährte methodische Rahmung zur Verfügung, um die Digitalisierung und Öffnung der Bildung wirkungsvoll zu entfalten.

Bündnis Freie Bildung

In diesem politischen Spannungsfeld positioniert sich das Bündnis Freie Bildung als Stimme für Offenheit. Seit über zehn Jahren bringen wir zivilgesellschaftliche, wissenschaftliche und bildungspraktische Perspektiven im deutschsprachigen Raum zusammen. Auch in Zukunft werden wir konstruktiv, kritisch und lösungsorientiert politisch Verantwortliche an ihre Versprechen erinnern, unsere Expertise in konkrete Umsetzungsprojekte einbringen, Offenheitskompetenzen durch neue Allianzen und Bildungsangebote stärken und uns für verbindliche rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen einsetzen.

Fazit

Digitale und offene Bildung ist die Voraussetzung für Selbstbestimmung, Teilhabe und Innovationsfähigkeit. Sie schafft Zugang, senkt Hürden und fördert gemeinwohlorientierte Wissenspraktiken. In einer Zeit, in der gesellschaftliche Resilienz und digitale Mündigkeit zentral sind, ist es fahrlässig, diesen Weg zu verlassen. Der Koalitionsvertrag 2025 ignoriert jedoch bewährte Entwicklungen, vernachlässigt Offenheit als Schlüsselprinzip und reduziert Digitalisierung auf Hardware und Breitband. Wir stehen bereit, unsere Expertise einzubringen, um digitale Mündigkeit und Bildungsgerechtigkeit zu fördern.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert