Ein Beitrag von: Noreen Krause, Markus Deimann, Christian Friedrich & Dominik Theis
Am 14. Oktober 2018 fand die Landtagswahl in Bayern statt. Drei Wochen nach der Wahl haben CSU und die Freien Wähler ihre Zusammenarbeit besiegelt und den Koalitionsvertrag vorgestellt. Wir haben uns angeschaut, was die Parteien rund um Markus Söder und Hubert Aiwanger für die nächsten fünf Jahre im Bildungsbereich planen und kommen zu dem Schluss: Die Bildungspolitik passt nicht zu dem Verständnis einer offenen, digitalen Gesellschaft, in der Bildung ein Schlüssel für Teilhabe, Mitbestimmung und gesellschaftliche Integration ist.
Die Öffnung von Bildung, beispielsweise durch die Förderung von Freien Bildungsmaterialien (Open Educational Resources) oder Open Source Software für den Bildungsbereich, findet an keiner Stelle Erwähnung. Es ist zu befürchten, dass Bildung in Bayern auch in den nächsten fünf Jahren keine nennenswerten Schritte in Richtung einer Öffnung von Bildung für gesellschaftliche Teilhabe machen wird. Dies ist zu bedauern, bedeutet es doch im Vergleich zu Ländern wie Berlin oder Hamburg, wo derartige Anstrengungen unternommen werden, einen erheblichen Rückschritt.
Im Folgenden finden sich einige Ausschnitte aus dem Bayerischen Koalitionsvertrag mitsamt unseren Einschätzungen und Empfehlungen:
Chancengerechtigkeit im Bildungssystem
KoaV – S. 35: Im Vordergrund steht für uns, allen Schülerinnen und Schülern möglichst optimale Rahmenbedingungen für ihre Entwicklung zu bieten und damit die Chancengerechtigkeit in unserem Bildungssystem zu erhöhen.
BFB: Die Öffnung von Bildung auf Ebene von Inhalten und Software, aber auch in pädagogischen Konzepten im Austausch mit der breiten Gesellschaft tragen zu einer größeren Chancengerechtigkeit im Bildungssystem bei. Öffnung erhöht die Zugänglichkeit von Inhalten als Freie Bildungsmaterialien und Software als Open Source Software. So entscheidet nicht die finanzielle Stellung des oder der Einzelnen über den Zugang zu digitalen Bildungsangeboten.
Wir möchten die Parteien in diesem Zusammenhang auch noch einmal an ihre Aussagen hinsichtlich der “Standardfreigabe öffentlich finanzierter Bildungsmaterialien” im Digital-o-Maten erinnern: Die CSU nimmt sich der Thematik zwar eher neutral an, sieht jedoch den “Mehrwert von freien Bildungsmaterialien bei der Vermittlung und Aneignung von Wissen” und strebt “die gezielte Förderung der Entwicklung und Bereitstellung qualitativ hochwertiger, Lehrplan-relevanter OER-Inhalte an”. Die Freien Wähler gehen noch einen Schritt weiter und schlagen eine „umfassende Förderstrategie bezüglich der Erstellung und Nutzung freier Bildungsmaterialien” vor. „Bildungsmaterialien, deren Erstellung aus öffentlichen Mitteln finanziert wird, sollten nach Ansicht der Freien Wähler daher auch soweit möglich frei zugänglich sein. Gleichzeitig sollte die Entwicklung, Verbreitung und der Einsatz von Open Educational Resources sowohl auf Bundesebene, aber auch vonseiten des Freistaats zielgerichtet gefördert werden.” Laut den Freien Wählern muss es Ziel sein, „einen Zugang zu einem möglichst breiten Spektrum an Bildungsmaterialien sicherzustellen, der einerseits von der Allgemeinheit genutzt werden kann und andererseits neue und innovative Ansätze des Lehrens und Lernens ermöglicht.” Auch wenn es leider keine Anzeichen für dieses Vorhaben im Koalitionsvertrag zu finden sind, unterstützen wir diese Ansicht und erwarten Maßnahmen der neuen Koalition hin zu einer Öffnung und Zugänglichmachung von Bildung.
Kooperationsverbot
KoaV – S. 35: Am Kooperationsverbot, das die Zuständigkeit der Länder für die Schulpolitik sichert, halten wir nachdrücklich fest.
BFB: Das sogenannte Kooperationsverbot lehnen wir aus verschiedenen Gründen ab. Aber auch ohne die Aufhebung des Kooperationsverbots ermöglicht eine Öffnung erarbeiteter Bildungsinhalte und Bildungskonzepte dennoch die Zusammenarbeit über Landesgrenzen hinaus. Durch freie Lizenzierung werden Bildungsmaterialien, Software und sogar pädagogische Ansätze von außerhalb auch in Bayern nutzbar. Ebenso können andere Bundesländer auf die in Bayern kreierten Ressourcen ohne große Hürden zugreifen, wo sie es für nötig halten. Wir fordern: freie Lizenzierung von öffentlich finanzierten Bildungsinhalten, damit diese auch für die breite Gesellschaft zugänglich und nutzbar werden. Das Kooperationsverbot muss hierfür nicht geändert werden, wenn seine Aufhebung doch verschiedene Aspekte der Zusammenarbeit im Bildungsbereich über Ländergrenzen erheblich vereinfachen, wenn nicht erst ermöglichen, würde.
Ausbildung von Lehrkräften
KoaV – S. 35: Wir wollen die hervorragende Ausbildung unserer Lehrkräfte und ihre Rolle in der Schule stärken.
BFB: Die verstärkte Ausbildung von Lehrkräften unterstützen wir, insbesondere im Hinblick auf die Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten, die digitale Tools und Lernwelten für die Bildung bieten. Wir appellieren an die Gestaltenden der Ausbildungsangebote in diesem Zuge, auch die Ausbildung von Lehrkräften in Bezug auf Öffnung von Bildung zu forcieren. So lassen sich Angebote mit einem Fokus auf Urheberrecht, Lizenzierung Freier Bildungsmaterialien, Freie Software sowie die pädagogisch und didaktisch sinnvolle Integration von Freier Hardware im Unterricht in den Kanon der „digitalen Bildung” integrieren. Diese Aspekte zu vernachlässigen, wäre sträflich und eine verpasste Chance für das bayerische Bildungssystem!
Wir bauen darauf, dass auf die von uns im Digital-o-Maten abgefragten Stellungnahmen der Parteien hinsichtlich der „Befähigung der Lehrkräfte zum Umgang mit freigegebenen digitalen Inhalten” Taten folgen werden. So versprach die CSU „umfassende Maßnahmen zur digitalen Fort- und Weiterbildung von Lehrern und Berufsschullehrern, auch in Zusammenarbeit mit den Hochschulen” und auch die Freien Wähler betonten die Notwendigkeit von „Aus- und Fortbildungsangeboten, um Lehrkräften das notwendige Wissen bezüglich Erstellung, Nutzung und Verfügbarmachung von freien Bildungsmaterialien zu vermitteln.“
Digitale Bildung
KoaV – S. 37: Wir treiben die digitale Bildung kraftvoll voran. Wir verbessern die IT-Rahmenbedingungen an den Schulen. Wir führen die Einrichtung von 50.000 digitalen Klassenzimmern fort und verbessern die IT-Ausstattung an Ausbildungsseminaren und Seminarschulen, begleitet von einer ausreichenden Breitbandanbindung der Schulen.
BFB: Wir begrüßen die Investition in Rahmenbedingungen für digitale Bildung. Anzumerken ist hier, dass Investitionen in Infrastruktur erfolgen sollten, die Schulen und Schulträger nicht an bestimmte Verlage, Softwarehersteller oder Anbieter von Bildungsinhalten bindet. Ebenso ist sicherzustellen, dass bezogene Hardware einfach und dauerhaft zu warten und kostengünstig sicher und up to date zu halten ist. Außerdem ist die angegebene Zahl von 50.000 digitalen Klassenzimmern zu kurz gegriffen. Einer der Vorteile von digitaler Bildung ist es, dass Bildung nicht im Klassenzimmer beginnen und aufhören muss. Insofern sind Investitionen in eine Erreichbarkeit von Bildungsangeboten von außerhalb der Schule zu fordern und zu fördern. Auch so lässt sich zu einer Öffnung von Bildung, insbesondere im ländlichen Raum beitragen.
Auch die Freien Wähler betonten im Digital-o-Maten: “Im Zuge der Digitalisierung ist das Angebot an Bildungsmöglichkeiten stark gewachsen. Interaktive Lehr- und Lernkonzepte auch jenseits des Klassenzimmers oder Hörsaals werden so möglich. Das Potenzial der so entstandenen Bildungsmaterialien wird jedoch noch lange nicht umfänglich genutzt. Dabei stellen gerade freie Bildungsmaterialien einen wesentlichen Baustein zu einer gerechteren und partizipativeren Bildung dar.” Diese Aussage stellt für uns einen guten Ansatzpunkt dar.
Medienpädagogik
KoaV – S. 37: Wir sichern die Kompetenzen unserer Lehrkräfte durch eine flächenwirksame Fortbildungsoffensive (z. B. Medienpädagogik).
BFB: Eine zeitgemäße Bildung ist immer auch Medienbildung und das auf zwei Ebenen: Zum einen als Bildung mit Medien (was den kompetenten Umgang mit Medien in Schule, Hochschule und Weiterbildung umfasst) und zum anderen Bildung über Medien (was sich mit den gesellschaftlichen Implikationen der zunehmenden Durchdringung von digitalen Medien beschäftigt). Gerade im zweiten Bereich sehen wir erheblichen Nachholbedarf. Außerdem ist auch an dieser Stelle festzustellen, dass der Koalitionsvertrag entscheidende Details missen lässt. Wie viele Menschen sollen in welchen Bereichen und Inhalten und in welchem Zeitraum für welchen Zweck fortgebildet werden? Wer bildet fort und sind dort die Kapazitäten vorhanden? Wenn nein, werden diese aufgestockt?
Bildungsinhalte und -werkzeuge
KoaV – S. 37: Unseren Lehrkräften stellen wir Inhalte und Werkzeuge für eine bessere digitale Bildung zur Verfügung.
BFB: In Bezug auf die Sicherung der Kompetenzen von Lehrkräften wünschen wir uns mehr Mut zu Detailtiefe. Es muss weiter gedacht werden und sich wichtigen Fragen gestellt werden: Wie genau, mit welchen Budgets und in welchen Bereichen sollen Lehrkräften fortgebildet werden? Was sind die Erfolgsfaktoren, wie wird dieser Erfolg gemessen und dokumentiert? Wie bereits angemerkt, kann eine solche Fortbildungsoffensive nur dann erfolgreich sein, wenn sie eine Öffnung von Bildung mit digitalen Mitteln stützt und fördert. Diese mit Budgets zu hinterlegen, sehen wir als die Aufgabe einer Landesregierung, insbesondere wenn sie sich in Bezug auf länderübergreifende Kooperation sperrt.
Auch in Bezug auf die zur Verfügung zu stellenden Inhalte und Werkzeuge wünschen wir uns mehr Mut zu Details und Ausarbeitung. In allen hier genannten Punkten stehen die Mitglieder des Bündnis Freie Bildung gern für einen transparenten zielorientierten Austausch zur Verfügung.
Lizenzhinweis
„Stellungnahme zum Koalitionsvertrag Bayern 2018“ vom Bündnis Freie Bildung steht unter der CC-BY-4.0-Lizenz. Für die Nachnutzung reicht als Namensnennung „Bündnis Freie Bildung“. Sofern die Nutzung offline erfolgt, ist an den Hinweis die URL der Lizenz anzufügen: https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.
Beitragsbild
Andreas Haldorsen, Bayerischer Landtag summer 2017, CC BY-SA 4.0