Digitalisierungsstrategie Baden-Württemberg: OER-Anteil soll ausgeweitet werden, klare Zielsetzung fehlt

Laut Landesregierung soll der OER-Anteil kontinuierlich ausgeweitet werden, bisher jedoch noch ohne konkrete Ziele zu setzen

Baden-Württemberg plant Qualifizierung von Lehrenden und Multiplikatoren. Foto: Elly Koepf (WMDE), Wikipedia-Schulprojekt Fürth Lehrer2, CC BY 3.0

Mit “digital@bw” präsentierte die Landesregierung von Baden-Württemberg im Juli ihre umfassende Digitalisierungsstrategie. Im Vorfeld hatte Ministerpräsident Winfried Kretschmann angekündigt, einen besonderen Schwerpunkt auf die digitale Bildung legen zu wollen. In Hinblick darauf wäre eine stärkere Gewichtung des Kapitels “lernen@bw: Bildung in Zeiten der Digitalisierung” im Gesamtkontext der Strategie wünschenswert gewesen. Auch Open Educational Resources (OER) bilden in diesem Zusammenhang nur ein Randthema. Dass Bildung über den Schul- und Hochschulkontext hinaus im Sinne eines “lebenslangen Lernens” gedacht wird und sowohl Generationsunterschiede als auch Themen der Inklusion berücksichtigt werden, wird vom Bündnis Freie Bildung insgesamt begrüßt.

Wenngleich in einigen Bereichen zu kurz gegriffen wird, bewertet das Bündnis ebenfalls positiv, dass in mehreren Punkten konkret auf einzelne Maßnahmen, wie die “Qualifizierung von Fortbildnern als Multiplikatoren”, die Einrichtung von “Makerspaces” und “FABLabs” sowie von “Blended- und e-Learning”-Formaten eingegangen wird. Diese Maßnahmen sollten aus Sicht des Bündnisses jedoch in jedem Fall mit dem erhöhten  Einsatz von Open Educational Resources (OER) realisiert werden, worauf im Strategiepapier an dieser Stelle aber nicht weiter eingegangen wird. Ebenso wird der Zeitpunkt für die Umsetzung der einzelnen Projekte im Strategiepapier nicht konkret definiert.

Dennoch ist der positive Ansatz erkennbar, dass das Thema Digitalisierung mit der verstärkten Förderung freier Bildungsmaterialien verknüpft wird. So soll in Zusammenarbeit mit dem Landesmedienzentrum eine “offene digitale Bildungsmedieninfrastruktur” geschaffen werden. Besonders begrüßenswert ist, dass der Anteil offener Bildungsmedien (OER) kontinuierlich ausgeweitet werden soll, auch wenn versäumt wird, Ziele konkret zu benennen.

Der Zeitpunkt für die Umsetzung einzelner Qualifizierungsprogramme noch nicht definiert. Foto: Franz Glaw, Wikipedia-Schulprojekt an der Waldorfschule Düsseldorf (4106), CC BY-SA 3.0

Mit der Weiterentwicklung der freien Lernplattform “moodle” soll darüber hinaus die Vernetzung der Lehr- und Lernenden gefördert werden. Dies könnte nach Ansicht des Bündnis Freie Bildung einen praktischen Ansatz darstellen, OER ohne zusätzlichen Mehraufwand sogar über die Landesgrenzen hinaus  stärker in den Alltag der Akteurinnen und Akteure einzubinden, sofern entsprechende Entwicklungen für alle frei zur Verfügung gestellt werden. Dass bereits institutions- und hochschulübergreifende Projekte, wie beispielsweise die Gründung des „Hochschulnetzwerks Digitalisierung der Lehre Baden-Württemberg“, angestoßen wurden, ist ein positiver Schritt in die Richtung einer bundesweiten Verständigung bei der Entwicklung von Infrastrukturen und Standards.

Schaffung neuer kultureller Bildungsressourcen
Im Bereich Kunst und Kultur wird die verstärkte Digitalisierung von Kulturgütern mit dem Ziel eingeführt, neue Wissensressourcen für Bildung und Wissenschaft zu produzieren. Gleichzeitig soll das kulturelle Erbe durch die Schaffung neuer Erlebnisräume in die Welt der „digital natives“ transportiert werden und die Teilhabe beispielsweise mobil eingeschränkter Menschen erhöhen. Das Bündnis begrüßt den weit gefassten Ansatz, neue digitale Bildungsressourcen auf Basis kultureller Inhalte zu schaffen, jedoch sollten diese als OER frei zugänglich und nutzbar gemacht werden. Wie schon bei der Planung einer “offenen digitalen Bildungsinfrastruktur” fehlt es auch hier an konkreten Zielen. So bleibt unklar, wie genau OER eine größere Rolle im Rahmen von Fördermaßnahmen und Programmen erhalten könnten. Hinzu kommt, dass mit Blick auf den angestrebten verbesserten Zugang zu kulturellen Gütern derzeit eher gegenteilige Signale aus Baden-Württemberg kommen:

Die staatlich betriebenen Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim verklagen derzeit einen Wikipedia-Autor wegen Uploads mehrerer Bilder von (urheberrechtlich längst gemeinfreien) Kunstwerken aus ihrem Bestand. Die Museumsleitung beruft sich hierbei unter anderem auf Bildrechte an Reproduktionen und strebt deren volle Nutzungskontrolle an. Dieses Ansinnen, noch dazu von einer Institution mit öffentlichem Bildungsauftrag, konterkariert direkt die Aussagen der Landesregierung in der Digitalisierungsstrategie.

Lizenzhinweis
„Digitalisierungsstrategie Baden-Württemberg: OER-Anteil soll ausgeweitet werden, klare Zielsetzung fehlt“ vom Bündnis Freie Bildung steht unter der CC-BY-4.0-Lizenz. Für die Nachnutzung reicht als Namensnennung „Bündnis Freie Bildung“. Sofern die Nutzung offline erfolgt, ist an den Hinweis die URL der Lizenz anzufügen: https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.

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