Koalition will sich für die vermehrte Nutzung von OER einsetzen
Wie schon nach der Wahl in Nordrhein Westfalen, haben wir den Koalitionsvertrag für Schleswig-Holstein aus der Perspektive des Bündnisses Freie Bildung analysiert und schauen damit der ersten “Jamaika-Koalition” auf die Finger. Die neue Landesregierung bekennt sich in der Vereinbarung an einer Stelle dezidiert zu OER und möchte sich für die vermehrte Nutzung offener Bildungsmaterialien einsetzen. Dieses Ergebnis ist zunächst nicht so überraschend, da sich sowohl die Grünen als auch die FDP bei der Beantwortung unserer Wahlprüfsteine positiv in Bezug auf die Implementierung freier Bildungsmaterialien geäußert hatten (von der CDU erhielten wir keine Antworten – mit der Begründung, dass wir keine Organisation aus Schleswig-Holstein seien). Was genau mit vermehrter Nutzung gemeint ist und ob damit auch die Erstellung und Verbreitung freier Bildungsmaterialien konkret angestoßen werden soll, bleibt am Ende der Analyse leider offen.
“Digitale Bildungsrevolution” angekündigt.
Der Begriff OER findet sich im Kapitel Digitalisierung im Abschnitt “Digitale Bildungsrevolution” wieder. Unter der Überschrift will die neue Landesregierung Schulen, Hochschulen und Weiterbildungseinrichtungen technisch erneuern und den Einrichtungen ermöglichen, ihre inhaltliche, technische und organisatorische Entwicklung selbst zu gestalten. Das klingt grundsätzlich nach einer sinnvollen Maßnahme, aber leider wird hier verpasst, OER direkt mit aktuellen Herausforderungen der Lehrenden zu verknüpfen und damit darzulegen, wie sie damit eine konkrete Unterstützung erhalten können. Dies hätte z. B. im Themenfeld Inklusion, das ein Schwerpunkt im Bildungskapitel des Koalitionsvertrages ist, geschehen können, denn gerade dort sind Lehrende darauf angewiesen, Bildungsmaterialien an das individuelle Lernniveau der Lernenden anzupassen. Diese Möglichkeit könnten OER bieten, da sie sowohl durch die Lehrenden als auch durch die Lernenden frei ohne zusätzliche Erlaubnis bearbeitet, weiterentwickelt und weitergegeben werden dürfen. Zudem hatten FDP und Grünen in den Wahlprüfsteinen bereits angekündigt, das Aus- und Weiterbildungsangebot für Lehrkräfte auszuweiten – das findet sich relativ unspezifisch formuliert auch im Koalitionsvertrag wieder. Hier hätten OER explizit thematisiert und damit auf die Agenda gesetzt werden können, denn der Fortbildungsbedarf dazu ist offensichtlich vorhanden. Dabei erscheint es sinnvoll, OER nicht als eigenständiges Modul anzubieten, sondern, wie im Praxisrahmen für OER in Deutschland empfohlen, vielmehr als Bestandteil in andere Fortbildungsstränge zu integrieren – z. B. Medienpädagogik.
Open Access: Öffentlich finanzierte Forschung soll frei zugänglich sein
Ebenfalls soll – eingebettet in die Open-Access Strategie – „öffentlich finanzierte Forschung […] im Rahmen der urheberrechtlichen Möglichkeiten für alle zugänglich sein“ (S. 24). Offen bleibt dabei, ob das mit einer eindeutigen Richtlinie unterlegt werden soll, die die wissenschaftlichen Angestellten von Hochschulen vertraglich zu Open-Access-Publikationen verpflichtet. Eine solche Richtlinie würde eine sehr vielversprechende Ausgangslage zur weiteren Entwicklung von Open-Science-Ansätzen schaffen.
Auch der kulturpolitische Fahrplan der Landesregierung birgt Chancen für frei zugängliche Bildungsmaterialien, wobei die sogenannten „digitalen Knotenpunkte“ (S. 109) eine entscheidende Rolle spielen sollen. Öffentliche Kultureinrichtungen wie Bibliotheken, ausgestattet mit offenem WLAN, sollen zu „digital-analogen Lernwelten“ werden.
Fazit: Gute Ansätze aber wenig konkrete Vorhaben.
Abschließend lässt sich das Befürworten von freien Bildungsmaterialien, die im Vorfeld der Wahl von zwei der Koalitionspartnerinnen geäußerte wurde, im Koalitionsvertrag nicht an konkreten Vorhaben wiederfinden. Natürlich ist es positiv zu bewerten, dass OER im Koalitionsvertrag explizit genannt werden, aber wenn der Eindruck entsteht, dass damit ein zusätzlicher Arbeitsaufwand für die Akteure verbunden ist, könnten die guten Ansätze in Richtung freier Bildungsmaterialien schnell als Belastung angesehen werden. Hier muss die Regierung zeigen, dass sie auch bereit ist, durch eine langfristige Finanzierung die Lehrenden und die Institutionen dabei zu unterstützen, OER in den Arbeitsalltag zu integrieren.
Das Bündnis Freie Bildung wird kontinuierlich beobachten, welche konkreten Maßnahmen und Fortschritte die Parteien in dieser Legislaturperiode umsetzen.
Lizenzhinweis
„Koalitionsvertrag Schleswig Holstein: Vielversprechende Pläne, wenig Konkretes zu freier Bildung“ von Nils Wach, Lilli Iliev und Valentin Münscher (Wikimedia Deutschland) steht unter der CC-BY-4.0-Lizenz. Für die Nachnutzung reicht als Namensnennung „Bündnis Freie Bildung“. Sofern die Nutzung offline erfolgt, ist an den Hinweis die URL der Lizenz anzufügen: https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.