Stellungnahme zum “Rahmenvertrag zur Vergütung von Ansprüchen nach § 52a UrhG (Hochschulen)”
Die Verwertungsgesellschaft Wort hat mit der Kultusministerkonferenz eine neue Regelung zur Zugänglichmachung von Lehrmaterialien nach Paragraph 52a des Urhebergesetzes ausgehandelt – und stärkt dadurch unfreiwillig die Open-Access-Position.
Urheber genießen in Deutschland und anderen Ländern besondere Rechte. Darunter fallen insbesondere Lehrende und Forschende, die, aus Steuermitteln finanziert, in ihren Berufen wissenschaftliche Publikationen oder Lehrinhalte erstellen. Als Urheber haben sie das Recht, ihre Inhalte über das Verlagswesen zu publizieren und eine Lizenz zu wählen, welche Nutzung und Verwertung ihrer Werke regelt. Der überwiegende Teil der Gesellschaft ist von der Nutzung der entsprechenden Werke ausgeschlossen. Diese und andere Rechte werden in Deutschland im Urheberrechtsgesetz und den Arbeitsverträgen geregelt.
Eine Sonderrolle nehmen in diesem Kontext bildende und wissenschaftliche Einrichtungen ein. Diese dürfen urheberrechtlich geschützte Werke für die Lehre auszugsweise vervielfältigen und im kleinen Kreis zugänglich machen, ohne dass eine gesonderte Erlaubnis des Urhebers einzuholen ist. Dies ist in Paragraph 52a des Urheberrechtsgesetzes geregelt. Absatz (4) des selben Paragraphen betont jedoch, dass die Urheber in einer angemessenen Weise zu vergüten sind. Weiterhin haben nur Verwertungsgesellschaften das Recht, den Anspruch auf die Vergütung geltend zu machen.
In Deutschland ist die Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort) dafür verantwortlich die Interessen von Urhebern zu vertreten und Ihre Ansprüche in solchen Fällen geltend zu machen. Bislang gab es zwischen der VG Wort und den Hochschulen eine Pauschalvergütung. Nachdem die VG Wort vor dem Bundesgerichtshof durchgesetzt hat, dass eine Einzelvergütung anzustreben sei, wurde ein neuer Rahmenvertrag zwischen der VG Wort und der Kultusministerkonferenz ausgehandelt. Laut diesem sind ab dem 1.1.2017 für urheberrechtlich geschützte Werke, die an einer Uni den Studierenden einer Veranstaltung zugänglich gemacht werden 0,8 Cent für jeden Studierenden und jede Seite an die VG-Wort zu bezahlen.
Als Reaktion rechnet die Hochschulrektorenkonferenz mit einem administrativen Mehraufwand, der an der Praktikabilität dieser Lösung zweifeln lässt und dazu führen könnte, dass die digitalen Lehrangebote an den Universitäten rückläufig sein könnten. Das Bündnis freie Bildung vertritt die Position (vgl. Handlungsempfehlungen & Positionspapier), dass Urheber nicht separat zu vergüten sind, wenn ihre Werke im Rahmen einer öffentlich finanzierten Tätigkeit entstanden sind. Durch Steuergelder finanzierte Werke sollten gemeinfrei oder offen lizenziert sein.
Lehrende an Hochschulen müssen sich durch die Neuregelung nun entscheiden: Nehmen sie administrativen Mehraufwand auf sich und melden jede genutzte Seite sowie die Anzahl der nutzenden Studierenden an die VG Wort oder kehren sie zur schwer überprüfbaren analogen Verwendung zurück? In Niedersachsen und Schleswig Holstein haben sich die Hochschulrektoren gegen einen Beitritt zu dem Vertrag ausgesprochen. Das bedeutet, dass zunächst sämtliche urheberrechtlich geschützten Lernmaterialien aus den digitalen Lernplattformen zu entfernen sind. Das Ziel sei es, die VG Wort durch das Ausbleiben von Tantiemen zum Nachverhandeln zu bringen. Egal ob Hochschulen den Weg von Schleswig Holstein und Niedersachsen gehen oder dem Vertrag beitreten: In beiden Fällen ist nicht mit einer Verbesserung der aktuellen Situation zur Bereitstellung von Inhalten, sondern eher mit einer weiteren Verschlechterung zu rechnen.
Eine Alternative, da von dieser Regelung (siehe Rahmenvertrag der KMK und der VG Wort) ausgenommen, sind Open-Access-Publikationen. Durch ihre Nutzung reduzieren sich Aufwände im administrativen Bereich – zusätzlich zum gesellschaftlichen Mehrwert, den frei zugängliche Informationen in sich bergen. Die eingesparten Ressourcen wären in der Verbesserung der bestehenden (digitalen) Lehre wesentlich besser aufgehoben als in der unpraktikablen Nachverfolgung der Werksnutzung .
Weiterführende Informationen zur elektronischen Bereitstellung von Materialien in der Hochschule: http://www.virtuos.uni-osnabrueck.de/fileadmin/documents/public/4_forschung/bilder/bilder/Pilotprojekt_52a/Info_Schaubild_Mat_52a.pdf
“VG-Wort-Deal stärkt unfreiwillig Open Access” von “René Pickhardt, Sebastian Seitz, John Hendrik Weitzmann” steht unter einer CC BY 4.0 Lizenz”. Für Zitierungen reicht als Namensnennung “Bündnis Freie Bildung”. Sofern die Nutzung offline erfolgt, ist an den Hinweis der URI der Lizenz “https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/” anzufügen.
Pingback: Unirahmenvertrag: PIRATEN setzen auf Open Educational Resources und Open Access › Piratenpartei Deutschland
Pingback: Neuer Unirahmenvertrag – „VG-Wort-Deal stärkt unfreiwillig Open Access“
Pingback: Der Unirahmenvertrag-Countdown: Alles löschen oder nicht? #VGWort - Studieren.digital